Fleischfressende Pflanzen beißen nicht

Von Karnivoren-Hexe


Wer von "fleischfressenden Pflanzen" hört, muss nicht Angst um sein Salamibrötchen oder den Sonntagsbraten haben. Auch Haustiere wie Hamster, Mäuse, Katzen oder Vögel sind absolut nicht gefährdet, wenn man eine solche Pflanze zuhause hat. Und es ist gänzlich auszuschließen, dass eine fleischfressende Pflanze jemandem den Finger abbeisst.

 

Was genau sind fleischfressende Pflanzen, sog. Karnivoren oder (fälschlicherweise) Insektivoren?

fleischfressendebalkon.jpgDas Wesentliche vorweg: Karnivoren (Zusammensetzung aus carnis (lat.): Fleisch und vorare (lat.): fressen, verschlingen) unterscheiden sich grundsätzlich nicht von anderen Blütenpflanzen. Sie haben wie diese drei Hauptorgane: Wurzel, Sproß und Blatt.

Die Wurzeln dienen auch bei den Karnivoren hauptsächlich der Nahrungs- und Wasseraufnahme. Die Blätter (wie bei allen blatttragenden Grünpflanzen) sind hauptsächlich für die Photosynthese bestimmt, also für die chemische Reaktion, die letztendlich als "Abfallprodukt" Sauerstoff herstellt.

Das, was Karnivoren so aussergewöhnlich macht, sind die Standorte, die diese Pflanzen in der Natur besiedeln. Denn diese sind in gewisser Weise derart extrem, dass die Pflanzen zur ausreichenden Versorgung der notwendigen Nährstoffe verschiedene Fähigkeiten entwickelten um dem "Nährstoffdilemma" zu entkommen und das eigene Überleben zu gewährleisten: Karnivoren haben verschiedene "Fallen" entwickelt, in denen sie Insekten, Nagetiere sowie teilweise auch kleine Affenarten fangen und vor allem zur Stickstoffgewinnung verwerten.

Je nach Gebiet und Gattung gibt es verschiedene Fallentypen:

• Klebfallen (Byblis, Drosera, Drosophyllum, Ibicella, Pinguicula und Triphyophyllum)
• Klappfallen (Aldrovanda und Dionaea)
• Fallgruben (Brocchinia, Catopsis, Cephalotus, Darlingtonia, Heliamphora, Nepenthes und Sarracenia)
• Saugfallen (Biovularia, Genlisea, Polypompholyx und Utricularia)

Etwaige Beute wird durch meist schillernde Farben oder Düfte angelockt, gerät dann in eine Falle und wird durch eine Art "Verdauungsflüssigkeit" zersetzt und aufgenommen. Jede Spezies von Karnivoren ist auf einen bestimmten Insektentyp spezialisiert, so z. B. der Sonnentau (Drosera), der ein ausgezeichnetes, natürliches Mittel ist gegen Trauermücken oder Obstfliegen. Oder die Schlauchpflanze (Sarracenia), die auf größere Fluginsekten wie Bienen oder Stubenfliegen anziehend wirkt, wogegen die mehr oder weniger auf der Erde lauernden Fallen der Venusfliegenfalle (Dionaea) auf kriechende Tierchen wie Käfer oder Ameisen ausgerichtet sind. Der Begriff "Insektivoren" ist trotzdem allgemein falsch, denn z. B. Kannenpflanzen (Nepenthes) sind durchaus in der Lage auch kleine Säugetiere zu zersetzen, die sich in die Falle begeben.

Muss man Karnivoren füttern?

Eindeutig: NEIN! Im natürlichen Lebensraum geht auch kein "Wärter" durch den Sumpf um nachzusehen, ob jede Pflanze genug zu essen hat bzw. am Verhungern ist. Manch einer kauft sich unüberlegt im Baumarkt eine Venusfliegenfalle, meint es gut und legt Schinken, rohes Hackfleisch oder gar Käse in die Fallen, was zeitnah zu Schimmelbefall führt und die Pflanze absterben lässt. Auch tote Insekten darf man nicht in die Fallen legen, denn der Verdauungsprozess setzt nur dann ein, wenn sich "das Opfer" bewegt. Je heftiger es strampelt, umso schnell wird der Mix aus Enzymen freigesetzt.

 

Ansprüche von Karnivoren:

Der ein oder andere Leser hatte sicherlich als Kind eine Venusfliegenfalle und wunderte sich, dass diese bald jämmerlich einging.  Allgemein bei ALLEN Karnivoren ist folgendes zu beachten:

• kalkfreies Wasser, z. B. Regenwasser oder destilliertes Wasser
• heller Standort (je nach Gattung auch vollsonnig oder auch halbschattig)
• niemals austrocknen lassen (bei manchen Gattungen Anstauverfahren)

Man sollte sich schon VOR dem Kauf z. B. über das Internet informieren, welche Karnivoren z. B. für eine Kultivierung auf dem Fensterbrett völlig ungeeignet sind. Besonders Kannenpflanzen benötigen meist ein Terrarium mit Zusatzbeleuchtung, Luftbefeuchter usw., was kostenintensiv werden kann.

Anfängergeeignete Karnivoren sind z. B. Drosera capensis (Kapsonnentau) sowie viele weitere Sonnentau-Arten (es gibt ca. 200 verschiedene). Für "fortgeschrittene" Karnivoren-Fans empfiehlt sich die Dionaea (Venusfliegenfalle) und auch die verschiedenen Nepenthes-Hybriden (Kannenpflanzen) oder auch Sarracenien (Schlauchpflanzen), die in vielen Baumärkten angeboten werden. Kommt man auch mit diesen Karnivoren gut zurecht, kann man sich an Cephalotus (Zwergkrug), Darlingtonia (Kobralilie) und viele andere Arten "heranwagen".